Die Bäder sind geschlossen - wie trainieren trotz Corona?
Der Marathon-Biker
Wieder sind alle Bäder geschlossen. Wieder wegen Corona. Ob uns das nun passt oder nicht: wir müssen ausweichen. Aber wo trainieren im November? Und wie? Wir haben ein paar Sportler gefragt, einer von ihnen ist Steffen Albrecht, Triathlon-Pionier beim SVL.
Steffen Albrecht macht die Not zur Tugend. Der einstige SVL-Leistungsschwimmer ist aufs Rad gekommen. Nicht erst jetzt, aber seit die Bäder und auch sein Fitness-Studio wegen Corona geschlossen sind, trainiert er halt nur auf dem Bike. Fast täglich. Auch auf dem Weg zur Arbeit.
Steffen, Jahrgang 1965, war lange Geschäftsführer von Karawane Reisen in Ludwisburg und beruflich stark eingespannt. Vor gut einem Jahr hat er beschlossen, sich beruflich zu verändern, ein bisschen kürzer zu treten, auch, um öfter in die Pedale treten zu können.
Er arbeitet nun in Teilzeit als Familienreferent beim Schwäbischen Albverein in Stuttgart. Und ins Büro fährt er fast immer mit dem Rad. Morgens 22 Kilometer hin und nachmittags 22 Kilometer wieder zurück nach Ludwigsburg. „Knapp zwei Stunden Sport am Tag, das hält fit“, sagt er.
An den Wochenenden ist Steffen im Herbst oft mit seinem Gravel-Bike, einem Offroad-tauglichen Rennrad, auf Tour. Ab und zu mit der Radbande Murr. „Wir fahren dann kleine Pfade, im Remstal und im Murrtal zum Beispiel.“ Weg von der Straße. Quasi vor der eigenen Haustüre neue Pisten kennenlernen. Steffen spricht von „explorativem Radfahren“. Oft ist er auch mit seiner Frau Vroni im Allgäu auf zwei Rädern unterwegs, aber gewandert wird dort freilich auch.
Radfahren war, nach dem Schwimmen, schon früh Steffens zweite Sportpassion. Als Neunjähriger ist er 1974 in den SVL eingetreten. Bald hat er fast täglich trainiert, im Winter im Stadionbad, im Sommer im guten alten Hohenecker Freibad. Steffen war als Teenie bestimmt talentiert, doch für die deutsche Spitze hat es nicht gereicht. Aber der Wille und das Durchhaltevermögen wurden in unzähligen Trainingseinheiten gut geschult.
Der Ausdauersport Schwimmen war sicherlich auch ein Grund für seine Leidenschaft zum Radfahren. Lange bevor Triathlon in Deutschland populär wurde, hat Steffen - ganz für sich alleine - mit seinem guten alten Motobecane-Stahlrahmen-Rennrad bei Neckarweihingen in den Weinbergen trainiert. „Immer hoch und runter, hoch und runter.“ Der tägliche Schulweg, natürlich per Rad, führte über den Heilbadweg nach Ludwigsburg. Frühes Bergtraining, sozusagen.
1986 hat der SVL-Schwimmtrainer Hans Trippel seinen Schützlingen erzählt, dass er von einem neuen Sport gehört habe. In Mengen, so der Trainer kopfschüttelnd, gebe es „ein paar Spinner“, die erst schwimmen, dann Rad fahren und danach auch noch rennen.
Steffen war wie elektrisiert - er und sein SVL-Kumpan Reiner Koch haben sich kurz darauf für einen der ersten Triathlon-Wettbewerbe weit und breit angemeldet, damals über die da noch übliche Kurzdistanz 1,5-60-15. Von Jedermann-Distanzen hat da noch keiner gesprochen. Der SVL-Vorstand hat im neuen Sport Potential gesehen. Steffen wurde wenig später zum Mitbegründer und ersten Abteilungsleiter der neuen SVL-Sparte Triathlon.
Wie im Schwimmen stellen sich bald die ersten Erfolge ein. 1989 das Highlight: Steffen qualifiziert sich in Roth für den Ironman auf Hawaii, für die inoffizielle Weltmeisterschaft im Triathlon. Aus kaum mehr nachvollziehbaren Gründen fliegt er damals nicht zur WM. Heute spricht Steffen von „meinem größten sportlichen Fehler“. Der Versuch, sich 1990 nochmals zu qualifizieren, misslang dann leider.
Aufgehört hat er trotzdem nie mit dem Ausdauersport, 46 Jahre alt ist die Grundlage mittlerweile. Mit jetzt 55 Jahren schwimmt und radelt er noch regelmäßig und durchaus ambitioniert, aber kaum mehr im Wettkampf. Die Stoppuhr erzeugt zu viel Druck, sagt er. Zur entspannten Sichtweise gehört auch der Sonntag-Abend Lauftreff. Das gesellige Gemeinschaftserlebnis, das im Feierabend-Bier mündet, findet coronabedingt zur Zeit nur in Zweier-Grüppchen statt.
Steffen ist auch immer wieder mit dem Rad im Urlaub. Mal allein, mal mit der Ehefrau, mal mit Sportsfreunden. Bereits als Schüler mit dem Motobecane-Bike. In Irland zum Beispiel, in der Schweiz und in Frankreich. Aber auch in Südamerika und im Outback Australiens war er schon mit dem Rad unterwegs. Mindestens eine Woche im Jahr sind Steffen und sein Schwager Dieter Frey auf Rennrad-Tour, bevorzugt zum Pässe fahren im Gebirge.
In diesem Jahr zum Beispiel „Rund um den Mont Blanc“, eine Woche lang. „Ein, zwei Stunden nur berghoch kurbeln, das hat was meditatives“, sagt Steffen. Auch der Dieter ist seit einer halben Ewigkeit SVL-Mitglied. Rad fahren, sagen die beiden, geht immer und macht den Kopf frei. Auch in so einem blöden Corona-November. Schlicht den inneren Schweinehund überwinden, morgens aufs Bike steigen und der Tag ist gerettet. No excuses - Ausreden gibt´s keine.